Die Praxis des Vokabellernens...und täglich grüßt das Murmeltier
Kennen Sie das auch - möglicherweise sogar aus Ihrer eigenen Schulzeit!?
- Die Schüler:innen sollen Vokabeln zu einem Lektionstext lernen, doch nur die Wenigsten können die Begriffe und Ausdrücke auch Wochen später noch erinnern, geschweige denn anwenden…
- Sie möchten deswegen Vokabeln regelmäßig in Form eines kurzen Tests abprüfen, sitzen dann aber jedes Wochenende vor einem Stapel Papier und finden heraus, dass sich einige Schüler:innen gar nicht oder nur mäßig vorbereitet haben…
- Sie arbeiten dann entweder in der folgenden Stunde mit den Schüler:innen, die den Wortschatz gelernt haben und gehen weiter im Programm; Die anderen müssen den Wortschatz nachholen und stoßen dann später wieder hinzu (oder auch nicht). Oder umgekehrt: Sie wiederholen mit der gesamten Klasse den Wortschatz, damit möglichst alle auf dem gleichen Stand sind (und langweilen bzw. bestrafen damit diejenigen, die brav gelernt haben.
Es ist generell schwierig, den Wortschatz einer Fremdsprache zu erweitern, denn es verlangt in der Regel Mühe und Anstrengung. Es ist aber noch viel schwieriger, alle Schüler:innen einer Klasse unter einen Hut bekommen zu wollen. Denn ebenso wie die Lerntechniken, das Tempo und die Intensität des Lernens variieren auch die individuellen Sprechanlässe. „Herkömmliches“ Vokabellernen trägt dieser Tatsache nicht Rechnung, sondern generalisiert - wie sollte auch ein Lehrbuchverlag individuell auf alle Schüler:innen eingehen können, oder eine Lehrkraft auf alle 30 Schüler:innen gleichzeitig. Das ist eher unwahrscheinlich bzw. gar unmöglich.
Doch wie kann Wortschatzerweiterung individualisiert werden? Welche didaktischen Kniffs kann man dazu anwenden? Und welche Möglichkeiten bieten sich durch digitale Hilfsmittel?
Impulse zur Neugestaltung von Wortschatzarbeit im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts
Verzichten Sie auf Vokabellernen nach Listen zu Hause und integrieren Sie Wortschatzarbeit in den Unterricht! Daraus erwächst (möglicherweise) die intrinsische Motivation, sich auch außerhalb der Schule mit der Sprache zu beschäftigen. Und diese wirkt bekannterweise stärker als extrinsische „Anreize“ wie Vokabeltests, bei denen die Schüler:innen nur für den Test lernen und nur auf die Punktzahl oder Note (und nicht auf das Lernen an sich oder auf den nachhaltigen Lernertrag) fokussieren.
Die folgenden Tipps können Sie dabei unterstützen:
- Steigen Sie stets mit einer persönlichen Fragestellung ins Thema ein und integrieren Sie diese (oder ähnliche) auch in die Lernaufgabe, die die Schüler:innen bewältigen sollen. So können Sie von Anfang an eruieren, wer welches Mitteilungsbedürfnis hat und dementsprechend Wortschatz benötigt.
- Fokussieren Sie auf kommunikativen Austausch, auch wenn die angestrebte Kernkompetenz eine andere ist. So können multiple Sprechanlässe genutzt werden, um neues Vokabular zu erkennen und zu benutzen. Beschränken Sie diese Kommunikation nicht auf Lehrkraft-Schüler:innen-Interaktionen, sondern geben Sie Möglichkeiten zum Üben in der Peergruppe und/ oder mit externen Gesprächspartner:innen.
- Nutzen Sie digitale Tools (wie z.B. deepl.com), um nicht nur einzelne Begriffe, sondern auch komplexere Satzstrukturen zu produzieren. Machen Sie auch Gebrauch von der Audiofunktion, um die Aussprache zu trainieren.
Ein Beispiel aus dem Englischunterricht: Klasse 5, Thema „Pets“:
Lernaufgabe: Einen Steckbrief zu seinem Lieblingshaustier schreiben
- Einstieg mittels bebilderter PP-Folien, die in rascher Abfolge nacheinander abgespielt werden. Sie zeigen typische Haustiere, Utensilien (Käfig, Futter, Leine, etc.) und Aktivitäten (to walk the dog, to sing, to crawl, etc.). Die Schüler:innen sollen anschließend rekapitulieren, was sie behalten haben, auf Deutsch und/ oder auf Englisch. Mit Hilfe der ausgedruckten PP-Folien überprüfen die Schüler:innen anschließend ihre Liste und ergänzen ggf.
- Dann werden die Ausdrucke im Raum verteilt. Die Schüler:innen bewegen sich (zu Musik) umher und bleiben auf ein Signal hin stehen. Sie formulieren auf Aufforderung der Lehrkraft einen Satz zu dem Papier, bei dem sie gerade stehen. Z.B. I haven‘t got a budgie. Oder I never walk the dog. Oder My cat has got brown fur. Nach einer Weile klinkt sich die Lehrkraft aus und die Schüler:innen sprechen nur noch miteinander.
- Anschließend wählt sich jede:r ein Bild aus und schreibt einen kleinen Text dazu. Digitale Tools dürfen und sollen genutzt werden. Für Schüler:innen, denen dies leicht fällt, bietet es sich an, dass diese ihren Text zusätzlich als Audio aufsprechen. Alle Ergebnisse werden auf einer digitalen Pinnwand hochgeladen (z.B. taskcards.de)
- Die Schüler:innen betrachten sich die Ergebnisse (Tipp: Die Pinnwand hier für weitere Einträge sperren!). In der Klasse liegen/ hängen Poster zu den einzelnen Tieren aus. Jede:r trägt nun auf den jeweiligen Postern Vokabular zum Tier ein. Ggf. kann man die Poster vorstrukturieren, z.B. mit Kategorien wie Aussehen, Aktivitäten, Lebensraum, etc.
- Die Schüler:innen ergänzen ihre Texte mit dem angegebenen Vokabular. Sie stellen sie sich dann gegenseitig im Omniumkontakt oder im Kugellager vor. Leistungsstärkere Gruppen können zusätzlich mit Fragen zu den Tieren agieren, d.h. mit Unterstützung vorgegebener Chunks (z.B. Does your pet…) gehen sie in den Dialog mit dem:r Partner:in anstatt monologisch vorzutragen.
- In der Klasse werden dann die Tiere der Mitschüler:innen vorgestellt, z.B. Lara‘s pet is a tortoise. Tortoises like lettuce and fresh fruits. Hierbei kann auch kontrastiv gearbeitet werden: My pet is a dog. Dogs don‘t like lettuce and fresh fruit. They like dog food. Es hilft, die Wortschatzlisten auf der digitalen Pinnwand einzublenden, sodass ggf. ergänzt, verbessert und darauf verwiesen werden kann.
- Zur weiteren Festigung des individuellen Wortschatzes bieten sich diverse Spiele an: Beispielsweise kann mit Bildimpulsen gearbeitet werden, die Schüler:innen können gemeinsam ein Domino- oder Memospiel mit Sätzen und Bildern gestalten, etc.
Hinweise:
Es werden sich sicherlich an der ein oder anderen Stelle sprachliche Fehler einschleichen. Um zu vermeiden, dass diese sich verfestigen, empfiehlt sich eine Intervention an unterschiedlichen Stellen: Die Lehrkraft kann Inhalte der Pinnwand korrigieren, beim Omniumkontakt selbst mit einem Beitrag teilnehmen, bei den Dialogen zuhören und helfen, die schriftlichen Texte vor der Veröffentlichung auf der Pinnwand durchsehen, etc.
Wichtig ist, dass sich jede:r Schüler:in individuelle Wortschatzlisten anlegt und diese pflegt. Das Zusammentragen in der Klasse ermöglicht es allen Schüler:innen mit ihrem individuellen Beitrag teilzunehmen. Es empfiehlt sich, nicht darauf zu bestehen, dass alle Schüler:innen immer alle Informationen über die Haustiere (und somit den Wortschatz) parat haben, sondern stattdessen, dass alle Strukturen zwar rezeptiv erfasst (also verstanden) werden, nicht unbedingt aber selbst reproduziert werden können. Wer dies trotzdem tut, verdient ein Lob. Wer nicht, auch, denn die Mindestanforderung -ein Haustier zu beschreiben - wurde ja erfüllt.
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