sprachdidaktik-sobel 

Ideen und Impulse zur Unterrichtsgestaltung

Lernprozessgestaltung gemäß einer neuen Lernkultur

 Aufgabenformate

Am Anfang steht die Aufgabe, zumindest im klassischen Schulsystem. Hier gibt in der Regel die Lehrkraft - meist relativ kleinschrittig - vor, was die Schüler:innen (in welcher Zeit und ggf. auch mit welchen Methoden) tun sollen, um bestimmte Lernziele zu erreichen.
In einer neuen Lernkultur spielen Aufgaben ebenso eine zentrale Rolle, jedoch wird zum einen unterschieden zwischen task und exercise, zum anderen sind die Lernenden mehr in die Findung der Aufgaben involviert als im klassischen Setting. Was bedeutet das?

Eine Lernaufgabe (task) ist, im Gegensatz zu einer ausschließlich auf Leistungsoutput fokussierten Übung (exercise), eine in einem thematischen Rahmen verortete, offene und schüler:innenbezogene Aufgabe, die die im Themenfeld  implizierten Inhalte und Kompetenzen abbildet. Sie wird den Schüler:innen beispielsweise zu Beginn eines thematischen Moduls gestellt, sodass sie eigenständig entscheiden können, wann sie mit der Bearbeitung beginnen bzw. wie lange/ intensiv sie sich  bis zur finalen Abgabe damit beschäftigen. Exercises werden im Anfangsunterricht noch von der Lehrkraft erstellt, bei fortgeschritteneren Lerner:innen ergeben sich diese meist aus dem Arbeitsprozess und sie werden, mit Hilfe des:r Lernbegleiter:in identifiziert und gestaltet (i.S.v. Was muss ich tun bzw. können, um die Lernaufgabe erfolgreich bewältigen zu können?).

Aufgaben in einer neuen Lernkultur sind anders geartet und formuliert als herkömmliche und haben oftmals eher projektartigen Charakter.
Ein Beispiel für eine klassische Aufgabenstellung im Unterricht des 5./6. Lernjahres:
In a group of 3-4 students, research on the internet about social, environmental or political initiatives that pursue a goal to protect or improve our future lives. Display your findings on a (digital) poster (one for each initiative) which you then present to the class. Be prepared to say which initiative you find important and why.


En un grupo de 3-4 alumnos, investigad en Internet sobre iniciativas sociales, medioambientales o políticas que persigan un objetivo para proteger o mejorar nuestras vidas futuras. Exponed vuestras conclusiones en un póster (digital) (uno por cada iniciativa) que luego presentaréis a la clase. Preparaos para decir qué iniciativa os parece importante y por qué.


En groupe de 3 à 4 élèves, faites des recherches sur internet sur les initiatives sociales, environnementales ou politiques qui visent à protéger ou à améliorer notre vie future. Affichez vos résultats sur un poster (numérique) (un pour chaque initiative) que vous présenterez ensuite à la classe. Préparez-vous à dire quelle initiative vous trouvez importante et pourquoi.


Die Aufgabe berücksichtigt insbesondere sechs der grundlegenden Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts:

  • Inhaltsorientierung: Inhalte haben Vorrang vor der Sprache, d.h. die Lernenden  erwerben durch ihre aktive Recherche neues Wissen und setzen dies in Relation zu ihrem eigenen Erfahrungshintergrund, indem sie die Ergebnisse für sich reflektieren. Daraus erwachsen ggf. Erkenntnisse.
  • Schüler:innenorientierung: Die Aufgabe ist an den (potenziellen) Interessen der Lernenden ausgerichtet und bindet ihre Lebensswelt mit ein.
  • Kompetenzorientierung: Es werden allgemeine methodische Kompetenzen (Recherche, Visualisierung, Präsentation) ebenso gefordert und gefördert wie sprachspezifische (globales und detailliertes Lesen, schriftliches Resümieren und Verschlagworten, monologisches Sprechen und ggf. dialogische Interaktion).
  • Kommunikationsorientierung: Um die Erkenntnisse zu teilen, werden diese der Klasse präsentiert und anschließend (ggf. interaktiv) begründet.
  • Handlungs- und Anwendungsorientierung: Die Schüler:innen sind aufgefordert, aktiv zu werden. Anstatt lediglich passiv zu konsumieren, ist ein individueller Beitrag jedes Einzelnen gewünscht.
  • Produkt- und Prozessorientierung: Es entsteht ein kreatives Produkt. Gleichsam ist der Prozess durch die einzelnen Arbeitsschritte vordefiniert, die Schüler:innen werden zu ihrem (vordefinierten) Resultat geleitet. Gleichsam haben sie in Bezug auf die Ausgestaltung des Produkts gewisse Wahlmöglichkeiten (analog oder digital; Ausgestaltung).

Ein Beispiel für eine veränderte Aufgabenstellung:
In a group of 3-4 students, discuss about life in the near and distant future and figure out which aspects seem to be important for you personally (in terms of living a comfortable and healthy life).
Then research about social, environmental or political initiatives that pursue goals related to the aspects previously collected.


Prepare a presentation of your choice in which you display the results of your findings. Each group member will present the aspect(s) and initiatives that appear to be most important for him/ her personally in class and justify his/ her choice.
En un grupo de 3-4 alumnos, discutid sobre la vida en un futuro próximo y lejano y averigüen qué aspectos les parecen importantes personalmente (en términos de llevar una vida cómoda y saludable).


A continuación, investigad sobre iniciativas sociales, medioambientales o políticas que persigan objetivos relacionados con los aspectos recogidos anteriormente. Prepara una presentación de vuestra elección en la que expongáis los resultados de vuestros averiguaciones. Cada miembro del grupo presentará en clase el aspecto o los aspectos y las iniciativas que le parezcan más importantes personalmente y justificará su elección.


Dans un groupe de 3 à 4 élèves, discutez de la vie dans un avenir proche et lointain et déterminez les aspects qui semblent importants pour vous personnellement (en termes de confort et de santé).
Faites ensuite des recherches sur les initiatives sociales, environnementales ou politiques qui poursuivent des objectifs liés aux aspects précédemment recueillis. Préparez une présentation à choix dans laquelle vous présenterez les résultats de vos recherches. Chaque membre du groupe présentera en classe le(s) aspect(s) et les initiatives qui lui semblent les plus importants et justifiera son choix.

In dieser veränderten Aufgabenstellung spiegeln sich die sechs Leitplanken einer veränderten Lernkultur wider:

  • Praxisorientierung: Im Gegensatz zur vorherigen Aufgabenstellung beginnt die neue nicht direkt mit der Recherche, sondern mit einer am realen Leben der Schüler:innen orientierten Fragestellung. Real-life problem solving - ein Problem der realen (Schüler:innen)Welt, nämlich die Suche nach Faktoren und Bedingungen, die das individuelle Leben (zukünftig) beeinflussen, formulieren und Lösungsansätze finden - ist Ausgangspunkt der Aufgabe (und nicht ein von der Lehrkraft formulierter Aufgabenauftrag).
  • Kollaboratives Lernen: Die gesamte Aufgabe ist nicht kooperativ, sondern kollaborativ ausgelegt. Durch die Verschränkung von gemeinsamen Besprechungen und individuellen Arbeitswegen und Gedanken entsteht ein Patchworkergebnis, das nur in diesem Zusammenspiel Sinn macht. In der ursprünglichen Aufgabe müssen die Lernenden mehr oder weniger unabhängig voneinander “wild drauf los” recherchieren, durch die vorherige Festlegung von Schlüsselaspekten ist die Recherche eher geleitet und eine stete Abstimmung bis zur finalen Präsentation ist notwendig.
  • Flexibilität - Individualisierung - Selbstgesteuertes Lernen - Kreativität: Die Schüler:innen haben auch innerhalb der Aufgabe Wahloptionen, und zwar auch im Arbeitsprozess selbst: Es ist nicht festgelegt, wie sie ihre Informationen finden und präsentieren. Natürlich steht am Anfang sicherlich das Internet als Informationsquelle, aber sie sind gleichsam flexibel auch andere Expert:innen zu Rate zu ziehen, weil sich eben dadurch auch andere Möglichkeiten der Präsentation ergeben. So ist es beispielsweise denkbar, dass die Lernenden ein Interview führen und als Podcast aufzeichnen oder das Ursprungsproblem anhand eines Videobeitrags, gefilmt in ihrer Lebenswelt, auszeigen. Die Schüler:innen sind sehr flexibel (aber auch kreativ und kritisch denkend sehr gefordert) in der Ausführung der Tätigkeiten. Dies wiederum initiiert Kommunikation und Kollabroation und schult insbesondere auch damit zusammenhängende Metaskills in verschiedenen Anspruchsbereichen, wie z.B. die effiziente und effektive Organisation von Arbeitsprozessen, funktionierendes Teamplay oder technische Fertigkeiten im Umgang mit Medien.

 

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