sprachdidaktik-sobel 

Ideen und Impulse zur Unterrichtsgestaltung

Kollaboratives Arbeiten im FSU

Durch kollaboratives Arbeiten werden viele Kompetenzen geschult, die Schüler:innen in der Begegnung mit der immer komplexer und volatiler werdenden Welt nützlich sein können. Doch was genau versteht man unter dem Begriff? Wie grenzt er sich vom kooperativen Lernen ab? Wie kann kollaboratives Arbeiten im Fremdsprachenunterricht forciert und sinnvoll eingesetzt werden?


Was versteht man unter kollaborativem Arbeiten?
Kooperatives wie auch kollaboratives Arbeiten zeichnet sich durch die Zusammenarbeit mehrerer Personen an einem gemeinsamen Projekt aus. Im schulischen Kontext kann es sich dabei um die Interaktion zwischen Lehrkräften untereinander, Schüler:innen untereinander oder zwischen Lehrkräften und Lernenden handeln, ggf. sind auch noch Schulleitung und/ oder Elternschaft tangiert.
Der Unterschied zwischen den beiden Konzepten liegt in der Prozessorganisation: Während beim kooperativen Arbeiten eine große Aufgabe in kleine Teile gesplittet und die Verantwortlichkeiten entsprechend verteilt werden, geht es beim kollaborativen Arbeiten um die gemeinsame Bearbeitung aller Bereiche/ Teile/ Schritte.

Vorteile der kollaborativen Arbeit:

  1. Tiefere Integration und Interaktion:
  • Kollaborativ: Im kollaborativen Arbeiten arbeiten alle Beteiligten eng zusammen und bringen ihre Ideen, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem gemeinsamen Prozess ein. Die Interaktion ist intensiver und führt oft zu einer gemeinsamen Erarbeitung von Lösungen.
  • Kooperativ: Beim kooperativen Arbeiten teilen die Mitglieder Aufgaben auf und arbeiten eher unabhängig voneinander. Jeder ist für einen Teil verantwortlich, der am Ende zu einem Gesamtprodukt zusammengefügt wird.

2. Gemeinsame Verantwortung und Eigentum:

  • Kollaborativ: Alle Beteiligten sind gemeinsam für das Endergebnis verantwortlich. Es gibt ein starkes Gefühl von Gemeinschaft und gemeinsamer Verantwortung für den Erfolg des Projekts.
  • Kooperativ: Einzelpersonen sind für ihre eigenen Aufgaben verantwortlich, und die Gesamtverantwortung ist eher verteilt, was manchmal zu einer weniger kohärenten Lösung führen kann.

3. Kreativität und Innovation:

  • Kollaborativ: Durch die enge Zusammenarbeit und den kontinuierlichen Austausch von Ideen können innovative Lösungen entstehen. Die Synergieeffekte aus der Zusammenarbeit mehrerer Personen können zu neuen, unkonventionellen Ideen führen.
  • Kooperativ: Die Kreativität kann begrenzter sein, da die Zusammenarbeit weniger intensiv ist und jeder mehr in seinem eigenen Bereich arbeitet.

4. Lern- und Entwicklungsprozesse:

  • Kollaborativ: Durch die enge Zusammenarbeit lernen die Beteiligten viel voneinander. Wissen wird geteilt, und jeder kann seine Fähigkeiten weiterentwickeln, indem er von den Stärken der anderen profitiert.
  • Kooperativ: Während auch hier Wissen geteilt wird, ist der Lerneffekt möglicherweise weniger stark, da weniger direkter Austausch und gemeinsame Problemlösung stattfinden.

5. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit:

  • Kollaborativ: Da das Team eng zusammenarbeitet, kann es schnell auf Änderungen reagieren und sich an neue Anforderungen anpassen. Entscheidungen können gemeinsam und dynamisch getroffen werden.
  • Kooperativ: Anpassungen erfordern oft Rücksprachen und können langsamer erfolgen, da die Arbeit stärker segmentiert ist.

6. Stärkere Teamdynamik und Zusammenhalt:

  • Kollaborativ: Der kontinuierliche Austausch und die gemeinsame Arbeit stärken das Teamgefühl und den Zusammenhalt. Jeder fühlt sich als integraler Bestandteil des Projekts.
  • Kooperativ: Der Zusammenhalt kann weniger stark ausgeprägt sein, da die Arbeitsteilung mehr Eigenarbeit und weniger gemeinschaftliche Interaktion fördert.

Digitale Tools zur Unterstützung:

  • geteilte Textdokumente/ Etherpads (z.B. zumpad, cryptpad, OneNote)
  • geteilte Leinwände/ Whiteboards (z.B. miro, taskcards, padlet, pingo)


Praxisidee für den Fremdsprachenunterricht: angeleitetes Schreiben
Um Schüler:innen anzuleiten, komplexere Texte Schritt für Schritt zu schreiben und zu vermeiden, dass Texte ad hoc gefertigt, aus anderen Quellen kopiert und ohne Feedback auf dem Schreibtisch der Lehrkraft landen, bietet es sich an, den Schreibprozess (statt ausschließlich das Produkt) zu fokussieren.
Vorarbeit:
Geteilte Dokumente für die Lernenden einrichten, am besten eins für jede:n Schüler:in, ggf. auch paarweise oder in Kleingruppen (je nach Aufgabenstellung). Tipp: Damit die Lernenden das Dokument jederzeit parat haben, bietet es sich an, einen QR-Code zum jeweiligen Link zu produzieren und diesen auf einem Stickerbogen auszudrucken und an die Lernenden zu verteilen. Sie können den Sticker dann auf ein Heft oder in den Kalender kleben und jederzeit auf ihr Schreibdokument zugreifen.
Durchführung:
Schreibphasen sind jederzeit, vor allem aber auch im Unterricht. Es empfiehlt sich, eine 20-30-minütige Stillarbeitsphase (je nach Alter der Lernenden) fest einzuplanen, in der die Schüler:innen an ihren Texten arbeiten. Währenddessen klickt sich die Lehrkraft durch die Dokumente und bringt Kommentare (z.B. im Chat) oder Verbesserungsvorschläge (z.B. durch Markierungen oder Impulsfragen) an. Dabei ist es wichtig, bei den Anmerkungen zunächst nicht zu sehr in die Tiefe zu gehen, sondern erst Augenscheinliches (z.B. fehlende Strukturierung/ auffällige Schreibfehler) zu betrachten. Das erlaubt es, bereits in der Schule relativ viele Dokumente anzuschauen. Wichtig ist auch, gleich zu Beginn des Schreibprozesses damit zu beginnen, damit der Prozess von Anfang an begleitet wird. So kann z.B. auch Schreibblockaden durch Formulierungshilfen, Satzanfänge oder Fragen entgegengewirkt werden. Dies erleichtert auch das Prozessmonitoring für die Lehrkraft, denn es kann immer wieder an der letzten Anmerkung angeknüpft werden (und man muss nicht den kompletten Text nochmals lesen - dies geschieht erst mit finaler Freigabe des Textes).
Beispielaufgabe für den Schuljahresbeginn:
Schreibe einen kleinen Text über dich: Wer bist du? Was zeichnet dich aus? Warum lernst die Englisch/ Französisch/ Spanisch? Was macht dir besonders Spaß? Was hilft dir beim Lernen? Was erwartest du von unseren Unterrichtsstunden/ von der Lehrkraft/ von deiner Klasse? etc.
Tipp: Kollaboratives Schreiben eignet sich besonders für Aufträge, die von den Schüler:innen individuell zu bearbeiten sind. Also z.B. NICHT “Was haben wir heute über Shakespeare gelernt?”, sondern “Welches der im Unterricht behandelten Zitate spricht dich an und warum?”

Lesetipp: Nölte, Björn (2023). Upgrade: Kollaboratives Lernen. Hannover: Klett Kallmeyer

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